Bloß nicht alt werden

Der zeitlose Wunschtraum der Menschheit ist der ewig jugendfrische Körper, gepaart mit einem stabilen Geist, der mit zunehmender Zeit immer mehr an Vollkommenheit gewinnt. Jede Epoche besaß ihr erfolgloses Rezept gegen den unaufhaltsamen Alterungsprozess. Im alten Ägypten ließen die Pharaonen ihre Luxusleichen kunstvoll konservieren, im festen Glauben an ewige Verfallslosigkeit. Vergebens – sie gammelten nur langsamer dahin. Die Könige des Mittelalters warfen ihr Gold für nutzlose Verjüngungswässerchen zum Burgfenster hinaus.

Heutzutage kann es sich fast jeder leisten, sein Geld für wirkungslose Faltenentferner zu verpulvern, was für ein Fortschritt. Das einzig Unvergängliche im Laufe der Menschheitsgeschichte scheint dessen Eitelkeit zu sein.

Interessant ist es, den körperlichen Verfall von Mann und Frau von heute und die damit verbundenen geschlechtsspezifischen Reaktionen genauer zu untersuchen. SEIN einstiger Waschbrettbauch verwandelt sich, scheinbar jeder Gegenmaßnahme trotzend, in einen widerlichen Schwabbelalbtraum und sein einst prachtvolles Haupthaar lichtet sich zu einem unausstehlichen Kahlschlag, bis hin zur perfekten Bowlingkugel-Politur. Die Haare gehen ihm aber keineswegs verloren. Sie durchwandern seinen Körper, um auf dem Rücken und Bauch büschelweise hervorzutreten und aus Nase und Ohren zu sprießen. Die 100 Meter, damals in Rekordzeit bewältigt, legt er im Alter, wenn überhaupt noch, an einem Tag zurück.

SIE trifft es jedoch nicht weniger hart. Ihr stetig schlaffer werdendes Gewebe strotzt jedem Straffungsversuch und das verzweifelt ausgegebene Geld für Frischhaltemaßnahmen reißt schwarze Löcher in den Geldbeutel. Besonders interessant sind jedoch die zwischengeschlechtlichen Reaktionen auf den unausweichlichen Zuwachs an Unattraktivität. Der einzige Weg, wie SIE für IHN wieder begehrenswerter werden könnte, wäre der, sich rückwärts durch die Zeit zu bewegen. Sie begegnet seinem schlaffer werdenden Äußeren dagegen mit weiblichem Einfühlungsvermögen, indem SIE beim wöchentlichen Vereinigungsversuch immer öfter das Licht ausschaltet.

Eine wahrhaft geniale Lösung des Problems präsentiert der ergreisende Playboy. Wenn es ihm schon nicht gelingt, sein unaufhaltbar fortschreitendes Alter zu stoppen, sorgt er wenigstens dafür, dass die Summe aus seinem Alter und dem seiner Jahrespartnerin konstant bleibt.

Man fragt sich zwangsläufig, warum der „moderne“ Mensch das Älterwerden mehr als Krankheit denn als Lebensbereicherung auffasst. Vielleicht liegt es daran, dass man auf die Lebensweisheiten und Ratschläge von Oma und Opa heutzutage deshalb verzichten kann, weil diese Informationen schneller und bequemer im Internet zu finden sind. Aber auch unsere zivilisierte Gesellschaft sorgt für die ältere Generation. Es stehen genügend Alten-Entsorgungs-Anstalten zur Verfügung, die dem Ergreisenden auch alle finanzielle Probleme abnimmt. Denn die Kosten für eine Isolationskammer lassen bestimmt keinen Pfennig übrig, über den man sich Gedanken machen müsste. Es gibt aber, wenn auch selten, selbstlose Ausnahmen im Umgang mit unseren Alten. Als meine Großmutter während eines Fuerteventuraaufenthaltes erkrankte und zur Behandlung ins dortige Krankenhaus musste, gab es ein hoffnungsvolles Ereignis: Sie lag mit einer einheimischen Frau auf einem Zimmer. Als ihre (Groß)Familie zu Besuch kam, ging diese zuerst ans Bett meiner Großmutter und begrüßte diese eingehend. Auch wenn dieses Ereignis sicherlich eine Ausnahme war, darf man hoffen, dass diese und ähnliche Ausnahmen irgendwann zur Regel werden.