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Der Aussteiger(alp)traum
Eine gute Fee kommt dahergeflattert und stellt einen vor
die Wahl: Tausche Deinen öden, langweiligen Schlechtwetteralltag gegen eine
einsame zivilisationsfreie Insel mit Schönwettergarantie ein, oder lebe so
weiter wie bisher. Wer spitzt da nicht sofort den Bleistift für ein
Freudenbrief an den Rest der Welt, mit dem Inhalt, dass sie einen gern haben
kann. Doch wie sieht es aus, wenn man erst dort ist, in seinem Inselparadies?
Die ersten Wochen läßt man sich von der Sonne so richtig eins überbraten und
tollt mit Fischen und Krebsen in friedlicher Eintracht im lauen Lagunenwasser
umher. Nach einiger Zeit jedoch, wenn man jeden Fisch mit Vornamen kennt und das
Sandburgen bauen satt hat, fängt man ernsthaft an daran zu glauben, einen
Fernseher aus Palmenblättern und Muscheln bauen zu können, der mit Kokosnüssen läuft.
Vor einigen Jahren litt ich an akuter Aussteigerritis und
wollte meine Träume auch unbedingt in die Tat umsetzen. Wem spuken nicht ab und
zu Inselausstiegsgedanken durch den Kopf, wenn einem in der Heimat mal wieder Hände
und Füße abfrieren. Da gute Feen aber leider so selten zu Besuch kommen, mußte
ich mir eine realistischere Variante eines Ausstiegs-Einstiegs ausdenken. Da man
vom Sandkornzählen allein nicht leben kann und einem das schwarze Loch in der
Geldbörse keine wilden Insel-Fantasien finanzieren läßt, man aber auch nicht
arbeiten will, muß am besten eine Beschäftigung her, die nicht als Arbeit
empfunden wird. Bettentestschläfer oder Cocktailprüfer waren meine ersten Einfälle
zum geregelten Broterwerb. Diese Jobs sind jedoch leider immer schnell vergeben.
Ich grübelte und grübelte, wollte schon beinahe meine Koffer wieder auspacken,
da durchzuckte mich ein genialer Geistesblitz. ANIMATEUR. Als Animateur, dachte
ich mir, hat man alles was man braucht. Man bekommt drei Mahlzeiten am Tag, die
Unterkunft wird einem gestellt und man steht garantiert im Mittelpunkt. Ein
Freund von mir hatte für ein paar Wochen das Leben eines Animateurs schon mal
angetestet und schwärmte in den höchsten Tönen. Insbesondere seine
Flirterfolge bei dem weiblichen Urlauber erwähnte er immer und immer wieder.
Das wunderte mich ein wenig, da er hier in Berlin aufgrund seiner
unterdurchschnittlichen Attraktivität gerade noch einer 70-jährigen ein Lächeln
abringen kann, wenn er ihr in der U-Bahn einen Sitzplatz anbietet (hoffentlich liest er diesen Artikel
nicht). Also entschloß ich mich, seinem Beispiel zu folgen und stürzte mich
mit hohen Erwartungen ins Animateurleben. Die Ernüchterung folgte jedoch sehr
schnell, als ich feststellen mußte, welche Knochenarbeit hinter dem Job steckt.
Es ist gar nicht so einfach, jeden Tag den stets gutgelaunten aus einem
rauszuholen und mit einem freundlichen Kleiderbügellächeln durch die
Clubanlage zu wandeln. Irgendwann stellte ich dann mit Schrecken fest, dass sich
die Tage für mich durch nichts mehr voneinander unterschieden. Abwechslung
bedeutet von nun an die „Spiele am Pool“ mit dem Bogenschiessen tauschen zu
dürfen. Auf der krampfhaften Suche nach Abwechslung überlegte ich mir eines
Abends, was ich nur tun könnte, um meinen Inseltraum nicht wie eine Seifenblase
zerplatzen lassen zu müssen. Ich sah mich schon als Souvenierverkäufer, dann
als Barbedienung und zum Schluß wieder als Animateur. Erst jetzt fing ich an,
diejenigen zu bewundern oder je nach dem auch zu bemitleiden, die dem wirklich
harten Job als Animateur nachgehen.
Da ich als Aussteiger nicht von einer Tätigkeit zur
anderen hüpfen wollte beendete ich meine Karriere als Animateur und kehrte zurück
in meine kaltgeliebte Heimat. Hätte ich nicht rechtzeitig den Ausstieg vom
Ausstieg gefunden, befände ich mich jetzt auf dem sicheren Abstieg.
Für mich besteht ein erholsamer Urlaub aus diesen drei Zutaten:
- Schönwettergarantie
- Ruhe
- Die Freiheit (mit dem geeigneten Partner) tun und lassen zu können, was man gerade möchte
Auf 2. und 3. wird man als Animateur garantiert
verzichten müssen. Der Ausstieg ins Inselparadies sollte also wohl überlegt
sein und stets mit einer sinnvollen, ausfüllenden Beschäftigung einhergehen.
So unerträglich einem der verregnete Alltag auch erscheinen mag, so hat er doch
ein Gutes. Man freut sich garantiert auf den nächsten Fuerteurlaub.
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