Quantensprung in der Physik

Um es vorweg zu nehme, die Quantentheorie ist nicht aus dem Hirn von Einstein entsprungen, sondern eher das Ergebnis vieler Ideen und Beiträge (u.a. auch von Einstein) der unterschiedlichsten Physiker. Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Quantentheorie das Gehen lernte, revolutionierte Einstein mit seiner Relativitätstheorie die Physik von Grund auf. Aus dem vorsichtigen „Quanten-Gang“ wurde jedoch schnell eine zweite Revolution, die Einstein jedoch nur wenig schmeckte. Sein berühmter Ausspruch „Gott würfelt nicht“ bezieht sich auf teilweise unvorhersagbare Ereignisse der Quantentheorie. Kennt man z.B. Ort und Impuls eines Planeten , so kann man mit Hilfe der Allgemeinen Relativitätstheorie Ort und Impuls des Planeten zu einem späteren Zeitpunkt vorhersagen. In der Quantentheorie funktionuckelt dies im übertragenden Sinne, z.B. auf das Elektron eines Wasserstoffatoms aufgrund der Unschärferelation nicht. Einstein gefiel der Gedanke nicht, dass man bezüglich Ort und Impuls eines Quanten-Teilchens nur Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen kann, also die Bahn (wenn man überhaupt noch davon sprechen kann) des Teilchens nicht vorhersagbar ist. Die Quantentheorie musste zwangsläufig erfunden bzw. gefunden werden, da sich manchmal Teilchen bzw. Wellen wie Wellen bzw. Teilchen verhalten. Dass sich Licht wie eine Welle verhält, leuchtet jedem ein, aber es kann sich manchmal auch wie ein Teilchen verhalten. Man spricht vom Welle-Teilchen-Dualismus. Die Frage ist, wann verhält sich das Licht wie eine Welle und wann wie ein Teilchen? Das hängt vom Experiment ab. Hierzu ein paar Beispiele:

Beugung des Lichtes (z.B. am Spalt oder Gitter) (Welleneigenschaft des Lichtes).

Die einlaufende ebene Welle wird an der scharfen Kante gebeugt.

Brechung des Lichtes (z.B. beim übergang vom dünneren ins dichtere Medium) (Welleneigenschaft des Lichtes).

Das Licht wird beim übergang vom dünneren Medium (Brechungsindex n1) ins dichtere (Brechungsindex n2) zum Lot hin gebrochen.

Interferenz von Licht (Welleneigenschaft des Lichtes).

Fotoeffekt (Absorbtion eines Lichtteilchens = Photons = Lichtquants mit der Energie , h: Plancksches Wirkungsquantum, Frequenz des Lichtes) (Teilcheneigenschaft des Lichtes).

Compton-Effekt Streuung eines Lichtquants z.B. an einem Elektron (Teilcheneigenschaft des Lichtes).

Das einlaufende Photon mit der Wellenlänge wird an einem Elektron gestreut. Die Wellenlänge ' nach dem Streuvorgang ist größer als , da das Photon einen Teil seines Impulses und seiner Energie an das Elektron abgegeben hat. Der Wellenzahlvektor k ist gegeben durch 2Pi/

Im Grunde kann man Max Planck (Planck, Max Karl Ernst Ludwig 1858-1947) Geburtshelfer der Quantentheorie bezeichnen. Er fand das berühmte Plancksche Strahlungsgesetz, welches die Intensität (genauer Energiedichte) des von einem schwarzen Körpers emittierten elektromagnetischen Spektrums beschreibt. Lange Zeit, konnte man nur Ausschnitte des Spektrums (im unteren und oberen Wellenlängenbereich) theoretisch erklären, jedoch nicht den gesamten Verlauf. Nach vielen ausgerupften Haarbüscheln kam Planck auf die verwegene Idee, das Licht in Form von Quanten (Energiepakete) zu beschreiben, deren Energie proportional zur Frequenz des Lichtes ist (). Damit war es ihm möglich, den gesamten Verlauf des Spektrums zu beschreiben. Wenn Licht nun Teilcheneigenschaften besitzt, warum sollten dann Teilchen nicht Welleneigenschaften besitzen? Eine sehr berechtigte Frage, deren Antwort weitreichende Konsequenzen mit sich bringt. Werfen wir einen Blick auf die relativistische Energie-Impuls-Beziehung eines Teilchens:

Dabei ist E die Energie, p der Impuls eines Teilchens und m seine Ruhemasse. Nach dem heutigen Stand der Forschung ist die Ruhemasse eines Lichtteilchens (Photon oder Quant) Null (m = 0). Wenden wir die Energie-Impuls-Beziehung auf ein Photon an, dann ergibt sich

oder

Der aufmerksame Leser wird sofort bemerkt haben, dass ich eine Lösung, nämlich

unterschlagen habe. Dazu später vielleicht mehr. Nun kennen wir den Zusammenhang zwischen Wellenlänge und Frequenz einer elektromagnetischen Welle:

Damit ergibt sich

Fassen wir die gefundenen extrem wichtigen Beziehungen noch einmal zusammen:

Die letzte Gleichung ist die De Broglie-Beziehung (Broglie, Louis Victor, Herzog 1892-1987). Diese beiden Gleichungen spiegeln den Zusammenhang zwischen Teilcheneigenschaften (Energie E und Impuls p) und Welleneigenschaften (Frequenz und Wellenlänge ) wieder. Noch sind wir aber nicht am Ziel. Werfen wir einen Blick auf die Maxwellgleichungen, die ja die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen beschreibt. Aus dem Viererpotential lassen sich elektrische und magnetische Felder ableiten. genügt der Bewegungsgleichung (Differential- bzw. Wellengleichung)

mit der Eichbedingung

Lösungen der Wellengleichung sind Ebene Wellen (z.B. ergibt die Ausbreitung in x-Richtung):

Setzen wir die Lösung in die Wellengleichung oben ein, erhalten wir

oder die oben eingeführte Beziehung

Jetzt wird’s spannend, differnziert man nämlich die Lösung für nach der Zeit, ergibt sich

Die Ableitung nach der Zeit ist also proportional zur Energie. Analog ist die Ableitung nach dem Ort proportional zum Impuls. Wir wollen nun einen Energie- und Impuls-Operator definieren, dessen Eigenwerte genau die Energie und den Impuls eines (freien) Teilchens liefert:

Jetzt sind wir so weit, die nicht-relativistische Wellengleichung für ein „quantenmechanisches“ Teilchen aufzustellen (Sie sehen schon, in welchen Formulierungsnotstand man aufgrund des Welle-Teilchen-Dualismus gerät). Die nicht-relativistische Energie-Impulsbeziehung eines Teilchens lautet einfach:

Den übergang zur Quantenmechanik wollen wir nun etwas schlampig vollziehen, in dem wir einfach Energie und Impuls durch die entsprechenden Operatoren ersetzen (das Resultat ist trotzdem richtig) und die Operatorgleichung auf eine Wellenfunktion anwenden:

Dies ist die berühmte Schrödinger-Gleichung (Schrödinger, Erwin 1887-1961). Die spannende Frage ist nur, welche physikalische Bedeutung hat die Wellenfunktion ? Darüber wurde lange gerätselt, bis Max Born (Born, Max 1882-1970) die glänzende Idee hatte, dass nicht der Wellenfunktion selbst eine physikalische Bedeutung zukommt, sondern dem Absolutquadrat der Wellenfunktion

w ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit-Dichte eines Teilchens. Man kann also theoretisch nur Wahrscheinlichkeitsaussagen bezüglich des Aufenthaltes eines Teilchens treffen. Demnach muss die Wahrscheinlichkeit, ein quantenmechanisches Teilchen irgendwo im Raum anzutreffen Eins sein. Mathematisch gesprochen heißt das

Dabei erstreckt sich die Integration über das gesamte Volumen V (wenn man so will, ist V das Volumen des Universums, falls das Teilchen nicht irgendwo eingesperrt ist). In der Quantenmechanik herrscht mindestens genauso viel Verwirrung wie in der Relativitätstheorie. Viele kurzsichtige Physiker stellen sich auf den Standpunkt, dass die Quantenmechanik die universellste aller Theorien ist. Man kann sicher eine Menge Effekte mit Hilfe des Theorieapparates der Quantenmechanik erklären, die vorher im Dunkeln schlummerten. Jedoch hat auch die Quantentheorie ihre Grenzen. Auf dem ersten Blick erscheint die Quantentheorie als merkwürdiges Wahrscheinlichkeitsgebilde. Jedoch gibt es in der Quantentheorie durchaus streng deterministische Ergebnisse. Es erscheint mir sinnvoller, die Quantentheorie in zwei Teile zu spalten. Einen statistischen (Quantenstatistik) und einen deterministischen. Der deterministische Teil beschreibt die isolierten Quantenobjekte, z.B. das Energiespektrum eines Wasserstoffatoms, welches sich nicht in Wechselwirkung mit seiner Umgebung befindet. Die Energieniveaus des Wasserstoffatoms lassen sich exakt berechnen und von Wahrscheinlichkeiten kann nicht im entferntesten die Rede sein. Sie werfen natürlich berechtigt ein, wie man nun Kenntnis von der Lage der Energieniveaus erhalten soll, wenn keine Wechselwirkung mit der Umgebung stattfindet. Dazu müssen wir das Wasserstoffatom stören und ein wenig an ihm rütteln. Z.B. durch „Anregung“ des Elektrons auf ein höheres Energieniveau und „Abregung“ des Elektrons durch Abstrahlung eines Photons, welches genau die Energiedifferenz zwischen End- und Anfangsniveau mit sich trägt.

Stört man das Wasserstoffatom, und jeder experimentelle Eingriff ist eine Störung, befreit man es sozusagen aus seiner Isolationshaft und die Quantenstatistik kommt ins Spiel. Man kann nämlich nur eine mittlere Lebensdauer bezüglich des Aufenthalts des Elektrons auf dem höheren Energieniveau angeben, d.h. man weiß nicht genau, wann es in den Grundzustand übergeht. Misst man die Zeiten vieler übergänge und bildet den Mittelwert, erhält man die mittlere Lebensdauer, welche man wiederum mit Hilfe der Quantenstatistik genau berechnen kann. Es gibt in der Quantenmechanik unglaubliche Effekte. Einer der merkwürdigsten ist der Tunneleffekt. Stellen Sie sich vor, sie werfen einen Tennisball gegen die Wand. Kaum einer wundert sich darüber, dass dieser von der Wand abprallt. In der Quantenmechanik gibt es jedoch eine Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Tennisball durch die Wand hindurchtunnelt. Gäbe es diesen Effekt nicht, gäbe es uns nicht. Die Sonne funktioniert nach dem Prinzip der Kernfusion, d.h. positive leichte Kerne verschmelzen zu schwereren. Da sich aber positive Kerne abstoßen, und die Kernkräfte erst bei sehr kurzen Abständen zu wirken beginnen, dürfte es zu keiner Fusion kommen, da die elektrische Abstoßung eine Annäherung der Kerne verhindert. Mit Hilfe des Tunneleffekts gelingt es den Teilchen jedoch, die Potentialbarriere zu durchdringen und in den Wirkungsbereich der Kernkräfte zu gelangen. Selbstverständlich kann man auch eine relativistische (quantenmechanische) Wellengleichung aufstellen. Beispiele dafür sind die Klein-Gordon-Gleichung und die Diracgleichung. Jedoch tauchen bei der relativistischen Betrachtung von quantenmechanischen Teilchen weitere Probleme auf. Ist z.B. die kinetische Energie groß genug, um ein Teilchen-Antiteilchen-Paar zu erzeugen, kann es zur Teilchen-Antiteilchen-Paar-Bildung kommen. Die Rechnereien, die zur Beschreibung derartiger Effekte notwendig sind, können sich sehr wohl mit der Kompliziertheit der Einsteinschen Feldgleichungen messen. Ich hoffe hier einen kurzen wenig vernebelten Einblick in die Quantenmechanik gewährt zu haben. Der Arm der Relativitätstheorie reicht sogar bis in die Tiefen der Quantentheorie. Ohne Einsteins berühmte Formel

E = mc2



läuft in der Physik kaum etwas.