Um dem Tensor-Gespenst gleich den Schrecken zu nehmen,
ich werde es so einfach wie möglich machen und auf komplizierte (aber
eigentlich leider notwendige) Tensorgymnastik verzichten. Schauen wir uns noch
einmal das Wegelement an, insbesondere den Term ganz rechts:
Um das neue Gebilde
mit den vielen Indizes oben und unten verstehen zu können, benötigen wir zuerst ein paar neue Vokabeln:
bezeichnet man als Metriktensor.
ist ein kovarianter Tensor zweiter Stufe. Kovariant, weil seine beiden
Indizes unten stehen und zweiter Stufe, weil er zwei Indizes besitzt.
ist ein kontravarianter (Verschiebungs)Tensor erster Stufe. Erster Stufe, weil nur
ein Index, nämlich µ und kontravariant, weil der Index oben steht.
Die Einsteinsche Summenkonvention:
Stehen oben und unten zwei gleiche Indizes, wird über diese aufsummiert, z.B. ist
Wir erinnern uns, dass wir die Koordinaten-Verschiebungen in Vektorform notiert haben:
Wie im Kapitel
Relativistische
Mechanik gezeigt wurde, hat der Metriktensor die folgende Form (damit das Wegelement ds eine Lorentzinvariante ist):
Diese Diagonalgestalt, kurz Diagonal(-1, -1, -1 ,1), für den Metriktensor des ungekrümmten Raumes kann man auch anders schnell einsehen. Wir kennen ebenfalls aus dem Kapitel
Relativistische Mechanik die Formel für die
Zeitdilatation. Sie lautet
wobei v die Geschwindigkeit einer an uns vorbeifliegenden
Uhr, dt das Zeit-Intervall zweier aufeinanderfolgender Ereignisse im Ruhesystem der Uhr
und dt das in unserem Bezugssystem festgestellte Zeitintervall zwischen den
beiden Ereignissen ist. Auf diese Formel kommt man auch mit Hilfe von
Denn es gilt
Teilen wir durch dt
2, erhalten wir
Mit der Geschwindigkeit
ergibt sich endlich die Zeitdilatation
Nun leuchtet auch die Diagonalstruktur des Metriktensors ein, denn hätten wir für
z.B.
gewählt, ergäbe sich für die Zeitdilatation
also eine negative Wurzel, da stets die Geschwindigkeit v kleiner als die Lichtgeschwindigkeit c ist. Doch
zurück zum Metriktensor. Der Index µ gibt die Zeile und der Index ny die Spalte an, so hat die Komponente g
44 in Zeile 4, Spalte 4 den Wert +1. Der Ausdruck
wird nach der Einsteinschen Summenkonvention also folgendermaßen berechnet (dabei
berücksichtigen wir aus Zeitersparnis-Gründen, dass nur die
Diagonalkomponenten des Metriktensors ungleich Null sind und somit zur Summe
beitragen):
Fantastisch, ein gewaltiges Formel-Feuerwerk und es
steckt nicht viel dahinter. Man muss sich ein wenig an diese neuen
Formulierungen gewöhnen, doch dann ist der Rest fast ein Klacks, na ja RELATIV
fast. Dieser ganze Formalismus mag einem zu diesem Zeitpunkt unnötig
aufgeblasen vorkommen, er vereinfacht einem später jedoch so ziemlich alles.
Stellen Sie sich nur vor, sie müssten all diese Gleichung komponentenweise
ausformulieren.
Dies würde uns schon als minimales Grundlagenmaterial
reichen. Ich möchte aber noch einen anderen Weg zum Wegelement aufzeigen, da
ich der Meinung bin, dass dieser für manchen durchaus einfacher sein könnte. Dazu drehen
wir wieder eine Dimension zurück, d.h. wir beschäftigen uns noch einmal mit
den drei Raumkoordinaten. Ein Punkt im (dreidimensionalen) Raum, z.B. eine Sonne
in weiter Ferne, wird durch eine x-, y- z-Koordinate bestimmt.
In Vektorform:
Nun betrachten wir wieder eine Verschiebung des Ortsvektors (auch vollständiges
Differential des Vektors genannt)
Die Ableitungen des Ortsvektors nach den Koordinaten bezeichnet man als Basisvektoren
Z.B. ist
Der Basisvektor
zeigt z.B. in x-Richtung. Jeder Vektor setzt sich aus seinen Komponenten und den
dazugehörigen Basisvektoren zusammen. Jetzt sind wir in der Lage ein tieferes
Verständnis für den Metriktensor zu entwickeln, denn bilden wir das Quadrat
des (dreidimensionale) Wegelements, erhalten wir
mit
Die Komponenten des Metriktensors sind also nichts weiter als die Skalarprodukte der Basisvektoren, z.B. ist die Komponente für i=k=1
Wollen wir g
ik in die vierdimensionale Metrik einbetten, müssen wir ihn
noch mit -1 multiplizieren. Oft
entsteht viel Verwirrung, wenn es darum geht, Tensoren ordentlich
zu verstehen. Das, was häufig etwas unsauber als Tensor bezeichnet wird, sind
die Komponenten eines Tensors. Ein Tensor besteht jedoch immer aus seinen
Komponenten und den Basisvektoren. Außerdem ist die Definition
des Tensors erst dann vollkommen, wenn man sein Transformationsverhalten
von einem Bezugssystem in ein anderes mit einbezieht. Die
Lorentztransformationen sind z.B. solche Transformationen. Außerdem muss man
noch die "Dimension" des Tensors berücksichtigen, also ob wir uns im
dreidimensionalen, vierdimensionalen oder völlig abgehoben in einem noch-höher-dimensionalen
Raum befinden. Einige Theoretische Physiker verirren sich in höheren
Dimensionen, auf einer wenig hoffnungsvollen Odyssee, die Kräfte zu vereinigen.
Die String-Theorie ist eine solch dimensional aufgeblasene Theorie, die unverständlicher
Weise sehr viele Anhänger besitzt. In der Tat gelingt es ihr, die bekannten Kräfte
unter einen Hut zu stopfen. Jedoch besitzt sie zwei entscheidende Haken. Je mehr
Freiheitsgrade man willkürlich in eine Theorie einführt, desto mehr lässt sich auch an
schon bekannten Fakten zusammenbasteln, was man Schluss und endlich dann als
Vereinigungstheorie verkaufen möchte.
Wenn man nur genügend freie Parameter einführt, kann man auch den Dollar-Kurs
vorhersagen, ich meine damit, dass diese Theorie ein wildes Bastelwerk ist. Der
zweite Haken hängt noch höher. Die String-Theorie vermag keine der bisher
ungeklärten Fragen der theoretischen Physik (z.B. die Massen der
Elementarteilchen) zu beantworten. Doch zurück zur notwendigen aber trockenen
Tensorrechnung. Tensoren besitzen
also immer Komponenten und eine dazugehörige Basis. Z.B. lässt sich der dreidimensionale
Ortsvektor
als Tensor erster Stufe im dreidimensionalen Raum auffassen. Erster Stufe, weil
seine Komponenten (x
i) nur einen freien Index, nämlich i haben:
Dabei ist es egal, wie der Index angeordnet ist. Der
Metriktensor (besser die Komponenten des Metriktensors) besitzt zwei freie
Indizes und ist somit ein Tensor zweiter Stufe. Es gibt sogar Tensoren nullter
Stufe, z.B. die Ruhemasse eines Teilchens oder unser Wegelement ds. Diesen
Tensoren gehört eine ordentliche Portion Aufmerksamkeit gewidmet. Tensoren
nullter Stufe sind Größen, die in allen Koordinatensystemen denselben Wert
besitzen. Man bezeichnet sie als Invarianten. Dazu zurück ins
Vierdimensionale. Im Kapitel „
Relativistische Mechanik“ fanden wir die
folgende Beziehung für die Vierergeschwindigkeit, die wir jetzt etwas ausführlicher
notieren wollen.
Wir erkennen also wieder, dass der Metriktensor nichts
weiter als das Skalarprodukt der Basisvektoren ist. Es handelt sich bei der
obigen Gleichung also um das Skalarprodukt eines vierdimensionalen Tensors
erster Stufe mit sich selbst. Das Ergebnis ist eine Invariante, das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit.
Im übrigen gilt für beliebige Tensoren erster Stufe
Man kann dieses Prinzip der Invarianten-Bildung durch Tensoren auf beliebige
Tensoren n-ter Stufe ausdehnen, nur dass man dann mehrere Indizes miteinander
aufsummieren muss. Man unterscheidet kovariante, kontravariante und gemischten
Tensore. Ein Beispiel für die Komponenten eines
kontravarianten Tensors erster Stufe ist u
µ. Der Vergleich von Gleichung
(a) und (b) lehrt uns, wie wir aus kontravariant
kovariant machen können, nämlich mit Hilfe des kovarianten Metriktensors:
Die kovariante Form der Komponenten des Tensors erster
Stufe (in unserem Fall ist das u
µ) erhält man also durch
„herunterziehen“ des kontravarianten Indizes mit Hilfe des Metriktensors (das
spreche man mal aus, ohne sich auf die Zunge zu beißen). Jetzt will man
natürlich wissen, ob es eine kontravariante Form (der Komponenten) des
Metriktensors gibt. Und, sie gibt es. Der kontravariante Metriktensor (die Vorsilbe Komponenten lasse ich demnächst weg) ist indirekt über die Gleichung
definiert. Dies ist die Bestimmungsgleichung von
dem gemischten Tensor (ko- und kontravariante Komponente). Man bezeichnet
als Kronecker-Symbol oder Kronecker-Tensor. Es handelt sich einfach um die
gemischte Form des Metriktensors. Der Kronecker-Tensor hat den Wert 0 für ungleiche Indizes und 1 für gleiche.
Nun haben wir das Rüstzeug, um die Ableitung eines Tensors zu berechnen, dem
mathematischen Dreh- und Angelpunkt der AR. Wir wollen die Ableitung eines
beliebigen Tensors ersten Stufe, nennen wir ihn
nach den kontravarianten Koordinaten x
µ bilden und stoßen auch
gleich auf Schwierigkeiten, denn nach der Produktregel gilt
Wie ist der zweite Term auf der rechten Seite zu interpretieren? Hängen die Basisvektoren nicht von den Koordinaten ab, d.h. wenn
gilt, bleibt nur die Ableitung der Tensorkomponente übrig. Aber gerade in der Ableitung der Basisvektoren (4 an der Zahl) steckt
das Geheimnis der AR. Wir wollen zunächst die Ableitung der Basisvektoren
wieder auf die Basis zurückführen, und zwar mit Hilfe eines seltsamen mit
erschreckend vielen Indizes ausgestatteten Gebildes, also
Das Gebilde
mit dem amüsanten Namen Christoffelsymbol(e), bildet das Fundament für
die Einsteinschen Feldgleichungen der AR. man könnte wegen der drei
freien Indizes denken, dass
ein Tensor dritter Stufe ist. Dem ist jedoch nicht so (das
Transformationsverhalten für ein Tensor dritter Stufe ist nicht gegeben). Wir wollen noch schnell die Christoffelsymbole allein durch
den Metriktensor und seine Ableitungen ausdrücken. Dazu sind noch ein paar Klimmzüge notwendig. Es gilt per Definition (Ableitungen nach den
Viererkoordinaten werden durch ein Komma, gefolgt vom Index abgekürzt)
Es gilt aber auch per Definition
Für die Ableitung des kovarianten Metriktensors setzen wir an:
Leiten wir die Deltafunktion ab, erhalten wir
Wir differenzieren nun
also
Mit den oben gefundenen Ergebnissen ergibt das
Skalare Multiplikation mit
liefert
Nun ziehen wir den Index
mit
runter.
Durch zyklisches Vertauschen der Indizes
gewinnt man die weiteren zwei Zeilen
Fast fertig. Die erste der drei Zeilen multiplizieren wir
mit – ˝ die letzten beiden mit ˝ und addieren (die Christoffelsymbole sind
bezüglich der unteren beiden Indizes symmetrisch, was noch zu zeigen bliebe):
Auf der rechten eite heben sich der erste und sechste und der zweite und fünfte
gegeneinander auf. Bennen wir die Summationsindizes um, erhalten wir
Ziehen wir nun noch den Index
hoch, ergibt sich schluss und endlich
Als kleines Anwendungsbeispiel berechnen wir den
Laplaceoperator in Kugelkoordinaten.
Man kann das Ergebnis für die Christoffelsymbole auch
auf einem anderen Weg finden. Dazu aber mehr im nächsten
Kapitel. Nur so viel sei an dieser Stelle verraten, im ungekrümmten Raum
verschwinden die Christoffelsymbole (kartesische Koordinaten), liegt dagegen ein echtes
Gravitationsfeld vor, sind sie von Null verschieden. Wir haben weiter oben schon
verwundert festgestellt, dass der Metriktensor von den Koordinaten selbst abhängen
kann (z.B. bei Kreiskoordinaten im zweidimensionalen, oder Kugelkoordinaten im
dreidimensionalen) und ich habe verraten, dass eine Koordinatenabhängigkeit des
Metriktensors auf ein Gravitationsfeld hindeuten kann, aber nicht muss. Die
Christoffelsymbole bieten also ein genaueres Entscheidungskriterium für die
Existenz von Gravitationsfeldern.
Doch genug der öden jedoch ziemlichen dünnen Vorbereitung. Auf zum nächsten Kapitel,
wo wir den Christoffelsymbolen zum ersten mal einen physikalischen Sinn
einhauchen werden. Anmerkung: Wer etwas tiefer in das Tensor-Gestrüpp
eindringen möchte, empfehle ich das Buch "Tensorrechnung für
Ingenieure" von E. Klingbeil, erschienen im Wissenschaftsverlag