Unendliche Weiten

Wer schaut nicht gerne an einem ruhigen, warmen Strandplätzchen - die Sektflasche in der Linken, eine nette Urlaubsbekanntschaft in der Rechten - in den Sternenhimmel und lässt dabei die Seele so richtig baumeln? Manch einer begibt sich beim Blick ins All auf eine aufregende Gedankenreise, manch anderer sieht nur ein paar funkelnde Punkte auf einer öden, schwarzen Leinwand. Wie gerne würde man schnell mal zu einem anderen Stern reisen, um sich dort ein wenig umzuschauen, wenn dieser nur nicht so verflixt weit weg wäre. Der Großmeister des Gedankenexperiments, Albert Einstein, hat uns aber gelehrt, dass wir uns nicht schneller als das Licht (300 000 km/s) durchs All bewegen können, auch wenn wir noch so viele Kohlen nachlegen, um unser Raumschiff auf Dampf zu bringen. 300 000 km/s, das ist eine Geschwindigkeit, die weit entfernt von den Vorstellungsmöglichkeiten unserer Hirnwindungen liegt. Wie soll man auch ein Gefühl für derartige Geschwindigkeiten entwickeln können, wenn man nicht schneller als 50 km/h durch die Stadt fahren darf. Aber Scherz bei Seite. Das Licht braucht ca. eine Sekunde, um die Strecke Erde-Mond zurückzulegen, d.h. wenn einer auf dem Mond „das Licht ausknipst“, sehen wir es erst eine Sekunde später nicht mehr. Nun ist der Mond mittlerweile für die Menschheit auch nicht mehr interessant, seitdem bekannt wurde, dass es dort keine Amazonen mit astronomischen Körpermaßen gibt. Um die nächste Nachbarsonne zu erreichen, benötigt das Licht ca. 4 Jahre. Selbst mit den schnellsten Raumschiffen würde ein Menschenleben nicht ausreichen (sofern man nicht „on the rocks“ unterwegs ist), um diese Entfernung zurückzulegen. Wir sind also auf absehbare Zeit Gefangene unseres Sonnensystems. Schade, denn es finden in unseren Galaxien fantastische Ereignisse statt. Es explodieren farbenfroh ganze Sterne oder Sternensysteme werden von riesigen schwarzen Löchern verschluckt. Wenn wir jedoch noch eine Weile warten, werden wir selbst Zeugen eines netten Naturschauspiels direkt vor unserer Haustür. Unsere Sonne wird in ein paar Milliarden Jahren zu einem „Roten Riesen“ anschwellen und der Erde so richtig eins überbraten. Aber selbst diese Feuershow ist im Vergleich zur gigantischen Größe des Weltalls nur ein kleiner kosmischer Furz.

Wenn wir schon nicht zu unseren Nachbarsternen gelangen können, so können wir wenigstens in die Vergangenheit „reisen“, denn das Licht, welches uns von fernen Welten erreicht, war lange Zeit unterwegs. Nehmen wir mal an, es gäbe eine identische Kopie der Erde, nennen wir sie Erde II, nur 70 Millionen Lichtjahre von uns entfernt (ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt) - identisch bedeutet, dass wenn sie sich morgens auf Mutter Erde aus dem Bett quälen, tut es ihr Double auf Erde II auch. Nehmen wir weiter an, wir hätten ein gigantisches Teleskop, welches uns einen Blick auf Erde II ermöglicht. Dann könnte man denken, dass man sich selbst bei einem Blick durch das Fernrohr sehen würde, ebenfalls vor dem Fernrohr. Dem ist aber nicht so, denn man sieht das Licht, welches vor 70 Millionen Jahren Erde II verlassen hat. Man wird also eher einen Tyrannosaurus-Rex bei seiner morgendlichen Toilette beobachten können.

Jeder hat sich schon mal die Frage gestellt, wo die Grenzen des Weltalls sind und was denn wohl dahinter sei. Aber so unglaubwürdig es auch klingen mag, der Weltraum ist einerseits unendlich groß, andererseits aber doch endlich. Ich hoffe, ich kann ihren Verdacht, dem Alkoholkoma nahe zu sein, schnell ausräumen. Schuld an diesen Verständnisschwierigkeiten ist wieder einmal Albert. Mit dem Weltall und unserem Begriffsdilemma verhält es sich ähnlich wie mit einer Ameise auf einem Luftballon. Läßt man die Ameise auf der Oberfläche eines Luftballons wandern, wird sie uns mit allem Nachdruck bestätigen, dass ihr „Weltall“ unendlich ist. Sie kann in jede beliebige Richtung wandern, wird aber nie auf eine Grenze stoßen.

Wir jedoch, die wir die Ameise beim Durchkrabbeln ihres Alls beobachten, wissen sehr wohl, dass ihre Welt begrenzt ist. Wer hat also recht? ähnlich verhält es sich mit uns und unserem Weltraum, nur ist das Problem etwas höherdimensional anzusiedeln. Jedes Kind weiß mittlerweile, dass unser Weltall mit einem riesigen Bumms (Urknall) ins Leben gerufen wurde. Die Frage, die man sich zwangsläufig stellen muss, ist: Wie geht’s weiter? Auch hier konnte uns Einstein helfen. Seine hervorragend bestätigte Allgemeine Relativitätstheorie stellt uns im Wesentlichen zwei interessante Entwicklungsmöglichkeiten in Aussicht. Die erste ist, dass unser Weltall immer weiter expandiert (der Luftballon unserer Ameise wird immer stärker aufgeblasen), bis auch irgendwann die letzte Sonne ausgebrannt ist. Wir befänden uns dann in einer riesigen Leichenhalle, auf der nie wieder Leben möglich sein würde. Die zweite Möglichkeit ist die, dass die Expansion des Alls irgendwann zum Stillstand kommt und danach alles wieder in sich, bzw. einen Punkt, zusammenfällt und alles wieder mit einem riesigen Knall von vorne beginnt. Am Besten kann man sich diese Variante veranschaulichen, wenn man sich die Explosion einer Bombe auf Video anschaut, nur dass man die Bilder immer langsamer ablaufen lässt, bis man den Film anhält und sich die Explosion rückwärts anschaut. Ich bin ein Fan dieser „Wiedergeburts-Theorie“, da sie dem Zyklus des Lebens näher kommt. Die Frage, in welche Richtung sich das All nun entwickelt, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Dazu müsste man genau die Gesamtmasse des Universums bestimmen können. Ein interessantes Problem für die Badezimmerwaage.

Schön wäre es aber wenigstens schon zu wissen, ob noch irgendwo Leben zwischen dem Sternenstaub existiert. Der Mensch horcht schon lange ins All, konnte aber bis heute keinen extraterrestrischen Radiosender empfangen. Man kann die kirchliche Sichtweise unterstützen (die ja in der Vergangenheit des öfteren korrigiert werden musste), dass die Erde ein einmaliger Schöpfungsakt gewesen sei. Es ist ja schon beachtlich, wieviel Faktoren zusammenkommen müssen, damit aus der Ursuppe Leben hervorkrauchen kann. Es darf nicht zu warm und nicht zu kalt sein und es muss genügend Wasser mit den richtigen Zutaten existieren. Andererseits kann man den Standpunkt vertreten, dass wenn Milliarden Planeten an der Lebenslotterie teilnehmen, es schon ein paar Hauptgewinne geben wird. Vielleicht wird der Mensch ja schon seit langem von extraterrestischen Lebensformen im Pferdekopfnebel aufgrund seiner maßlosen Selbstüberschätzung belächelt, da sie unsere menschliche Intelligenz irgendwo zwischen der einer Orion-Fruchtfliege und einem Wurmloch einordnen würden. Vielleicht wird ja ihr nächster Blick in den Sternenhimmel von Fuerte mit ein wenig mehr Begeisterung für die unendlichen Weiten des Weltalls einhergehen.